Szenario-Analyse – auf mögliche Zukünfte vorbereiten
Die Szenario-Analyse stellt ein bewährtes Werkzeug dar mit dessen Hilfe man strukturiert über mögliche Entwicklungen in der Zukunft sowie den damit verbundenen Chancen und Risiken diskutieren kann. Sie ermöglicht besser auf komplexe Fragestellungen und Entwicklungen reagieren und entsprechend entscheiden zu können. Sie wird sowohl in Unternehmen wie auf politischer Ebene genutzt. Vera Calenbuhr erläutert im folgenden Beitrag wie man Szenarien in der aktuellen Corona-Debatte sinnvoll einsetzen kann. Sie spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle in der Kommunikation einer krisenhaften Situation.
Peter Schwartz – einer der Pioniere der Szenario-Analyse – bezeichnete diesen Prozess als „Re-Perzeption“. Für die Erstellung von Szenarien brauche es vor allem Diversität und gute Vorstellungskraft.
Herausforderung: Argumente auf unterschiedlichen Ebenen
Spätestens seit dem Beginn der Covid-19-Impfungen Ende 2020 findet eine Debatte darüber statt, ob es zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft kommen kann und darf: Den Geimpften und den Nicht-Geimpften.
Die Einen…
… betonen, dass das nicht sein darf, denn Geimpfte und Nicht-Geimpfte sässen quasi im gleichen Boot. In dieser Perspektive lassen die später Geimpften den früher Geimpften quasi den Vortritt – anhand eines Kriterienkatalogs – weil man eben nicht alle gleichzeitig impfen kann. Bei dieser Argumentation handelt es sich letztlich um ein Werte-Argument. Solidarität steht im Mittelpunkt.
Die Anderen…
…sagen, man könne der privaten Wirtschaft, z.B. Flug- oder Bahngesellschaften nicht vorschreiben, wen sie befördern. Auch diesem Argument liegen Überzeugungen und letztlich Werte zugrunde. Wieder Andere weisen darauf hin, das wir viel zu wenig darüber wissen, wie die Impfungen wirken: führen sie zu Immunität, führen sie zum Nichtausbrechen der Krankheitssymptome, können Geimpfte das Virus weitergeben, wirkt die Impfung auf bei einer Infektion mit dem mutierten Virus und vieles mehr? Diesem Argument liegen wissenschaftlich-technische Kriterien zugrunde.
Ein konstruktiver oder gar zu einem Konsens führender Verlauf der Debatte ist nicht erkennbar. Was man erkennen kann, ist, dass jedes Argument auf einer spezifischen Ebene stattfindet. Dabei kommt das Thema Unsicherheit nur in dem wissenschaftlich-technischen Argument vor. Wie kann man in einer solchen Situation und angesichts der grossen Unsicherheit eine konstruktive Debatte führen?
Szenarien: Breschen in die Unsicherheit schlagen
Die Szenarien-Analyse ist ein gangbarer Weg. Bei Szenarien geht es nicht darum, die Zukunft vorher zu sagen. Das kann niemand. Man kann aber über unterschiedliche mögliche Entwicklungspfade nachdenken und somit quasi Breschen durch die Unsicherheit schlagen. So lassen sich Handlungsoptionen erarbeiten, die sich aus diesen Pfaden ergeben.
Eine Szenario-Analyse könnte aus folgenden drei Szenarien bestehen:
Das Best-Case-Szenario:
Eine besonders positive Entwicklung wäre der Fall in dem die Impfungen zügig voranschreiten, eine andauernde Immunisierung eintritt und Geimpfte das Virus nicht weitergeben.
Das Worst-case-Szenario
Eine besonders wenig wünschenswerte Entwicklung wäre die Situation, in der die Impfungen nicht zu einer umfassenden Immunisierung führen.
Das Business-as-usual-Szenario
Dazwischen wären noch andere Szenarien denkbar, wie z.B. der Fall, dass die Immunisierung gut voranschreitet, aber nicht lange anhält oder der andere Fall, dass Geimpfte das Virus weitergeben können. Die sinnvolle Definition eines Referenz-Szenarios (Busines-as-usual-Szenario) ist nicht trivial, da man gleich eine ganze Reihe von Optionen dafür hätte.
Relevante Informationen herausarbeiten
Auf der Basis solcher Fall-Unterscheidungen für mögliche Entwicklungen (= Szenarien) lassen sich eine ganze Reihe von Handlungsoptionen analysieren und diskutieren. Auch stellt sich die Frage, was die unterschiedlichen Optionen für die wertebasierten Argumente bedeuten? So stellt sich das Problem der Zwei-Klassen-Gesellschaft gar nicht im Worst-Case Szenario, da eine robuste und dauerhafte Population von Geimpften gar nicht erst entsteht.
Wenn man die Analyse weiter führt, wird man feststellen, dass das Thema der Zweiklassen-Gesellschaft umso mehr zum Thema wird, je erfolgreicher die Impfungen verlaufen – also je schneller die Population der Geimpften wächst.
Gleichzeitig verschwindet die Relevanz des Themas schlagartig, sobald durch das Impfen das Niveau einer Herden-Immunität entstanden ist.
Die Szenario-Analyse kann somit dazu beitragen, die wirklich relevanten Informationen strukturiert herauszuschälen und in die Aufmerksamkeit zu führen.
Szenario-Analyse für eine konstruktive Debatte
Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten und der Unsicherheit darüber wie sich die Impfungen auf breiter Ebene entwickeln werden, mutet die aktuelle Debatte ziemlich grotesk bzw. irrelevant an. Auch die Medien spielen hier eine Rolle, denn sie lassen Stimmen zu Wort kommen, die die Debatte nicht weiterführen. Sie verhindern so eine konstruktivere Auseinandersetzung mit der Thematik. In normalen Zeiten mag es wichtig sein, dass jeder zu Wort kommt. In Zeiten wie der aktuellen, wo es keine Zeit zu verlieren gibt, mutet das aber seltsam deplatziert an. Es brauchte einen Akteur, der die verschiedenen Stimmen nicht nur zu Wort kommen lässt, sondern sie in eine konstruktive Debatte integriert. Diese Rolle könnten die Medien übernehmen. Deshalb möge dieser Beitrag mit einem Aufruf zu mehr Szenarien-Denken in der öffentlichen Debatte enden.
Mehr zur Szenario-Analyse
Ähnliche, wenig konstruktive Debatten-Konstellationen gibt es in jedem Unternehmen und in jeder Organisation. Die Szenario-Analyse kann, wie in der beschriebene Corona-Diskussion, dazu beitragen:
- Konstruktiv über Unsicherheiten, Chancen und Risiken zu diskutieren
- sinnvolle Handlungsoptionen zu erarbeiten und vorzubereiten
- Diese frühzeitig zu kommunizieren und so Orientierung zu schaffen.
Angebot
Für Interessierte bieten wir kostenlose Einführungsworkshops an. Wer dann oder direkt tiefer einsteigen möchte, kann dies bei unserem ganztägigen (Online-)Training tun.